Wind & Wetter

Wenn Wetter, Wind und Tageslicht sich als Gedichtthemen aufdrängen ....

42 Kilometer & das eintausendzweihundertsiebzehnte Gedicht

Arkaden von Bologna

Unter Arkaden

Den Stau der von Marmor geglätteten Kühle
Flattert kühn eine Schwalbe aus Warmluft entzwei,
Ein Wind drängt die schwerfällig dreharme Mühle
Zum Durchwirbeln der zeitlosen Aircraft-Kartei.
Mancher Hauch ist hier auch schon vorm Zeitmaß gewesen,
Riecht kellerdunstschmauchig, jahrhundertbelesen,
Ist vom Blitztakt des Lichtspiels nur passiventzückt,
In platzhirschgebührende Langmut entrückt.

Wie verlahmt schlurft mein Dasein mit latschigem Schritt -
Der gewinnt erst im Nachhall der Architektur!
Die bewahrt ihren Wert und veredelt mich mit -
Ich fühl mich beheimischt trotz Sightseeing pur.

Und geschmeidig befächelt von Grade-Kaskaden,
Ein Lächeln vom Bad in den alten Arkaden,
Bestürmt frühe Anmut die Sehnsucht der Haut -
Ich bin von der Straßen Zug gleichsam erbaut.

Abschlussparty & das eintausendeinhunderteinundsechzigste Gedicht

Sonnenuntergang am Beau Vallon auf Mahè

Sonnenuntergang

Für ein kleines "Erledigt!" als Wohlfühlmoment
Gibt das Abendrot dir grünes Licht.
In der Haut schlummert Sonne, die immer noch brennt
Und die Nacht löscht in Schönheit das Licht.

Stalinallee & das eintausendeinhunderteinundvierzigste Gedicht

In einem Häuserdurchgang der Karl Marx Allee / Otto Grotewohl Grundstein

Regen in der Simon-Dach

In Berlin ist der Regen am grausten
Und treibt durch die Straßen wie desint'ressiert
An all der temporär enthausten
Unwürdigkeit, die da frömmelnd spaziert
Und irrt
Und irrt.
Und irrt.
(Man will etwas Spirit ja trotzdem erleben.)
Und immer nasser,
Blasser
Wird.
(Hier wirkt aller Abschaum nur herrlich daneben!)

Es belächelt die Stadt die zerzausten
Schöpfe, die ohne Berechtigung sind.

In Berlin ist der Regen am grausten
Und aus dir nieselt immer noch Schönheit, mein Kind!

Mainzer Rheinufer & das eintausendeinhundertzwanzigste Gedicht

Mainzer Rheinufer

Zweiter Frühling

Leise rieselt's zu tötender Schicht, die verzäht.
Sie schluckt glatt eine Stadt, die darunter gerät.

Durch die Leisheit des Rieselns zur Andacht gelockt,
Stapft manch Lausbub hinaus und wird untergeflockt.

Doch vor
Zugefror'nen Ohren
Stoppt der Eltern Schelte.

Mancher
Meint sich neugeboren
Als ein Kind der Kälte.

Rhätische Bahn & das eintausendeinhundertachte Gedicht

Rhätische Bahn

Dieser Nebel Schuld

Der Nebel hier schuldet mir so viel an Gegend,
Das krieg' ich doch nie mehr ersetzt!
Im trägen Verdacht mischt sich alles, was lebend -
Das Grau ist hier bestens vernetzt.

Das Graugewölk schuldet mir so viel an Ausblick,
Hier wurd' ein ganzer Ort geklaut!
Keinen Dunst, wie ich mich aus der Ebene rausklick -
Hätt' ich mich vorher umgeschaut!

Die Nebel-App schuldet mir so viel Erfahrung!
Nur Layer folgt Layer auf Schicht ...
Dahinter - vermutenswert - liegt Offenbarung -
Verzettelt in diesem Gedicht.

Der Nebel hier schuldet mir so viel an Gegend,
Mich führt kein Comeback wieder her!
So pack' ich als Wissen, die Schwaden umschwebend,
Ein scheues Vielleicht, ungefähr.

Smaragdspint & das eintausendneunundneunzigste Gedicht

Smaragdspint (Bienenfresser) im Yalla Nationalpark

Wintersonne

Die Sonne bei uns kommt direkt aus der Kälte,
Sie scheint beinah so klar wie frisch gekauft.

Es brutzelt vor Segen das von ihr Erhellte,
Löst düstre Gerinnsel, wohin sie auch drauft.

Nur strohflämmrig kurz ist sie zu uns gedrungen.

Doch lässt's uns die Zähheit des Zags übersteh'n,
Dass wir in den Erinnerungen
Schon durch die schweren Wolken seh'n.

Luitpoldpark & das eintausendsiebenundvierzigste Gedicht

Luitpoldpark in Schwabing

Unherbst (Flammt ein Flämmchen)

Flammt ein Flämmchen alter Wärme
Um dein kaltes Haus
Sein Gemüt voll Wellnesstherme
Schrüht vor Saus und Braus

Dabei war bei uns Lethargie allseits beschlossen
Das Rücktrittsgedudel ward weidlich genossen

Was hadert das Gedärme?

Erst proklamiert sich neue Zeit
Nun schlampt sie mit der Gültigkeit
Und mogelt sich hinaus

Grenswerk & das eintausenddreiunddreißigste Gedicht

Venlo Grenswerk in der Peperstraat

Sonnenkrieger

Und wieder rinnt die Wirklichkeit
Durch meine tauben Finger
Als sei ihre Zeit nun endgültig vorbei
Als gäb' es längst heißere Dinger

Doch schwör' ich nicht der Frischluft ab
Für eigene vier Wände
Reich' unberechenbarer Kraft
Die frisch geleerten Hände

Wo Wurzelwerk mein Salz aussaugt
Und mich Sturzbäche Regen begießen
Werd' ich, wenn sich die Welt abschafft
Die Restspur des Sommers genießen

Hochjoch-Hospiz & das eintausendneunzehnte Gedicht

Auf dem Weg zur Hochjoch-Hospiz

Im Whiteout

Nachdem der Himmel beschloss, sich einzuweißen
Schien der Erdgeschosshorizont in ihn zu gleißen
Und die Unendlichkeit rückte näher

Im Unerreichtsein schlief die Welt wie verwunden
Nur Gesichtsloses ward miteinander verbunden
Und die Unendlichkeit drückte zäher

Bis zu dem Punkt, wo alles Weiß / nicht Zustand, sondern Schicksal ist
Und jedes Ziel zum Gegenschlag / mit ungestümen Willen frisst

Kein Weg, der sich zur Richtung zieht
Beregelt dieses Nicht-Gebiet

Ein eisiger Wind kristallt: "Lebensgefahr!"
Es entschwebt alle Regung
So haltlos
So bar

Ostküste & das eintausendelfte Gedicht

Küste bei Malcesine/Gardasse

Ende der Saison

Nun hat der See sich abgekühlt
Der mich fast ein Halbjahr verführt
Dass ich wie im Wahn seine Wasser durchwühlt

Ab heute wir nur noch gerührt

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